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Volksabstimmungen als Blasenpflaster

Viele von uns leben in analogen und digitalen Filterblasen. Die häufigen Volksabstimmungen wirken heilsam.

Wenn ich meine Facebook-Timeline der letzten paar Wochen anschaue, müssten die Atom-Schrottreaktoren demnächst vom Netz gehen. Einhellig postete mein FB-Freundeskreis atomkritische Meldungen, nur einmal poppte kurz eine Kohlestrom-Kontroverse auf. Natürlich zähle ich auch ein paar konservative, atomfreundliche Menschen zu meinem Freundeskreis, aber die äussern sich nicht politisch. Einzelne unliebsame, langweilige habe ich irgendwann ausgeblendet.

Ähnlich setzt sich auch mein Freundeskreis in der realen Welt zusammen. Eine gewisse Übereinstimmung der politischen Haltungen hat sich mit der Zeit ergeben.

Ziemlich einseitig zeigt sich auch mein Stadtkreis: Zwei Drittel der Abstimmenden legten im Zürcher Kreis 3 ein Ja zum geordneten Atomausstieg in die Urne.

Mein Wohnort und meine Freundes- und Bekanntenkreise bildeten also eine ziemlich perfekte Filterblase. Wäre meine Wahrnehmung auf diese Quellen beschränkt, wäre ich gestern aus allen Wolken gefallen, würde „die Welt nicht mehr verstehen“, wie es allenthalben nach Trumps Sieg hiess.

Dem ist nicht so. Denn ich lese ja auch andere Medien als die WoZ. Da kamen die Gegner/innen der Initiative wiederholt zu Wort, gerade auch in den Kommentarspalten der Online-Medien. Ich tue mir bisweilen eine Arena-Sendung an. Und im Quartier-Sportverein sind beim Bier danach gegenteilige Meinungen zu hören.

Das wichtigste Korrektiv zur eigenen Filterblase aber sind die häufigen Volksabstimmungen. Sie überprüfen die eigene Wirklichkeit wie ein Spiegel. Das ist für die Minderheit, zu der ich meist gehöre, zuweilen brutal – aber es verhindert, dass man es sich in der Blase allzulange bequem einrichtet. Die viel beschworene Filterblase, behaupte ich in Anlehnung an die NZZ, ist kein technisches, sondern ein menschliches und institutionelles Problem.