Da sitze ich zuhause am Bildschirm und freue mich auf den morgigen Ausflug ins Büro. Die tägliche Stunde auf dem E-Bike vermisse ich, obschon ich um die relativ schlechte Umweltbilanz meines Gefährts weiss; es schneidet viel schlechter als ein Velo ab und ein wenig schlechter als der ÖV. Klimapolitisch der weit grössere Hebel ist aber die Reduktion des Autoverkehrs und der motorisierten Transporte.
Kürzlich beantragte ich an der lokalen Gemeindeversammlung, jedes Jahr drei Prozent der öffentlichen Parkplätze umzuwidmen – und scheiterte damit kolossal.
Wie hält es die Schweizer Klimapolitik mit dem Verkehr? Der Bund veröffentlichte vor kurzem seine langfristige Klimastrategie. Sie soll aufzeigen, wie die Schweiz ihr sogenanntes Netto-Null-Ziel bis 2050 erreicht. 60 Seiten Polit-Prosa, mit vielen Zahlen und Grafiken. Im Kapitel Verkehr geht die Strategie davon aus, dass «die Fahrleistung bis 2060 deutlich zunimmt». Gleichzeitig sinken die Emissionen des Verkehrs in den nächsten 29 Jahren gegen Null. Wie das? Du ahnst es: Elektro statt Diesel und Benzin. 2050 sollen also sieben Millionen PWs und Transporter unter Strom stehen, ein paar Hundertausend fahren mit Wasserstoff. Natürlich alles erneuerbar produziert.
It’s the weight, stupid!
Das mag zwar die Klimabilanz der Alpenrepublik schönen, doch in der Gesamtbetrachtung hilft es viel zu wenig. Denn Elektroautos reduzieren die CO2-Emissionen im Betrieb, ihre Herstellung verursacht aber mehr Treibhausgase als jene von fossil betriebenen Fahrzeugen. Diese fallen natürlich im Ausland an.
Eine BAFU-Studie aus 2018 betrachtet nicht nur die Klima-, sondern die ganze Umweltbilanz eines Umstiegs auf E-Autos. Fazit: Wir erreichen damit nur eine Verbesserung um 20 Prozent gegenüber der heutigen Flotte. Und das kompensieren wir locker mit der zunehmenden Fahrleistung. Der Systemfehler, stupid, liegt im Gewicht: Solange wir 1,5 Tonnen bewegen, um unser Lebendgewicht von A nach B zu schaukeln, sieht die Bilanz miserabel aus. Ich fürchte, mit den E-Autos baut sich gerade die nächste Lebenslüge der Industriegesellschaft auf.
Leichtfahrzeuge wären eine mögliche Strategie, sagt die Studie – nur scheint das weder die Industrie noch das Gros der Konsument*innen zu interessieren. (Immerhin: Mein E-Bike wiegt nur 28 Kilo mit gefülltem Tank.)
Was tun? Die Klimastreik-Bewegung zeichnet einen konkreten Weg vor, wie wir aus der Verkehrs-Sackgasse rauskommen. Der Aktionsplan propagiert die Verkehrsrevolution. Völlig zu Recht.
Dass wir mehr zuhause bleiben sollen, sagt die Klimajugend nicht. Das haben wir in jüngster Zeit genug gehört und zähneknirschend getan. Mit umso mehr Elan gehen wir dann hoffentlich am 21. Mai wieder auf die Strasse. Und stimmen am 13. Juni dem neuen CO2-Gesetz zu. Denn ein Nein an der Urne wäre ein fatales Signal, schon fast eine Gegenrevolution.
Titelbild: sprachkompass.ch