Mir ist es wichtig, meinen Mitarbeitenden viel Freiheit zu lassen und ebenso viel Verantwortung zu übertragen. Denn ich bin überzeugt, dass die meisten Menschen erst unter diesen Voraussetzungen ihr Potenzial entfalten.
In unserer vierköpfigen Agentur gehört auch dazu, dass die Löhne sich in einer geringen Bandbreite bewegen und wir einen allfälligen Erfolg gleichmässig teilen. Zur Verantwortung gehört meiner Meinung nach ebenso das unternehmerische Risiko. In unserer Branche ist es überschaubar. Deshalb habe ich bei der Gründung der GmbH den Mitarbeitenden eine Minderheitsbeteiligung von je 15 Prozent angeboten. Sie gingen gerne darauf ein und wurden damit zu Gesellschafterinnen.
Nun sind auch wir von der Corona-Krise betroffen: Einerseits, weil Veranstaltungen ausfielen und weiterhin ausfallen, die wir orchestrieren oder dokumentieren soll(t)en, andererseits, weil die Akquise deutlich schwieriger geworden ist: Man trifft kaum mehr auf potenzielle Kundschaft, viele Entscheidungsträger*innen sind zurückhaltend in der Disposition der Mittel, und es herrscht vielenorts eine allgemeine Verunsicherung (Wer kennt sie noch, die EAV?).
Zahlen ja, Leistungen nein
Aus diesen Gründen haben wir im Frühjahr in geringem Umfang Kurzarbeit angemeldet und rasch bewilligt erhalten. Im Juni wurde ich als Geschäftsführer davon ausgeschlossen. Das entspricht der langjährigen, stossenden Praxis bei der Arbeitslosenversicherung: Als Geschäftsführer muss ich zwar einzahlen, habe aber keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen. So abstrus wie bekannt.
Im September stellte sich die Verwaltung dann überraschend auf den Standpunkt, dass auch die Mitarbeitenden ausgeschlossen seien, da sie eine «arbeitgeberähnliche Stellung im Betrieb» hätten. Für dieses Attribut genügt laut Behörde der Eintrag ins Handelsregister. So offenkundig der Unsinn bei einer 15-Prozent-Beteiligung, so verbreitet sei die Gerichtspraxis, sagt uns ein Arbeitsrecht-Anwalt. Nun warten wir auf eine rekursfähige Verfügung.
Doch während wir als Agentur eine temporäre Einbusse wegstecken könnten, (falls eben die Kurzarbeitsentschädigung entfällt), sieht die Perspektive für die Mitarbeitenden weit existenzieller aus: Müsste ich einem Teammitglied aus wirtschaftlichen Gründen kündigen, hätte es nach oben beschriebener Lesart gar keine Arbeitslosengelder zu Gute! Das wäre dann ein ziemlich harter Vertrauensbruch einer Sozialversicherung.