Als ich in der Hochzinsphase der 90er Jahre bei einem Privaten wohnte, brach mir jedes Mal der Schweiss aus, wenn ich Post von ihm erhielt. Meistens steckte im Couvert das Formular zur Mitteilung der Mietzinserhöhung. Grund: Hypothekarzinsanstieg.
Seit sechs Jahren wohne ich nun in einer Zürcher Genossenschaft. Seither ist unser Mietzins von 2340 auf 2016 Franken monatlich gesunken – ohne dass ich je um eine Senkung gebeten hätte. Grund: Anpassung an den (sinkenden) Referenzzinssatz.
Die jüngste Senkung veranlasste mich, beim Vermieter meiner Mutter anzurufen, die seit sechs Jahren denselben Mietzins zahlt. Die Sachbearbeiterin von Schäppi Immobilien klärte mich auf: Senkungen würden nur auf Verlangen der Mieterin weitergegeben – Erhöhungen erfolgten dagegen immer automatisch, ausser der Eigentümer wolle es anders. Meine Mutter verzichtete jedoch auf ein Senkungsbegehren, denn sie wills mit dem Vermieter nicht verscherzen.
Rund 60 Prozent der Haushalte in der Schweiz sind Mietende, nur eine von zehn Mietwohnungen wird dem Sektor Gemeinnützige zugeschrieben (Genossenschaften, Stiftungen, öffentliche Hand). Letztere verpflichten sich grösstenteils der Kostenmiete, d.h. sie geben Einsparungen an die Mieter/innen weiter. Seit 2009 sind das Abermillionen an Kaufkraft, die auf Seiten dieser Haushalte für andere Bedürfnisse und Wünsche frei wurden.
Anders sieht es bei den kommerziellen Vermietern aus: Sie geben Zinssenkungen generell nur auf Aufforderung oder zögerlich weiter. So finde, sagte Nationalrätin Jaqueline Badran kürzlich, jedes Jahr ein Transfer von 15 Milliarden Franken statt, von den Mieterhaushalten zu den Eigentümern, weitgehend leistungsfrei. Pro Kopf sind das etwa 2’500 Franken jährlich, oder 5’500 Franken pro Durchschnitts-Haushalt.
Eine schöne Summe, ein üppiges Ferienbudget – für die Vermieter! Und als Ex-Journi staune ich, dass die Medien kaum über den schleichenden Skandal berichten. Immerhin scheint die Wohn-Initiative des Mieterinnen- und Mieterverbands zustande zu kommen. Doch bis sie Wirkung erzielt, dürften noch viele Milliarden von den Mietenden zu den Eigentümer/innen fliessen.