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Mietzinserhöhung kommunizieren: So gelingt das delikate Unterfangen

Mietzinserhöhungen sind unbeliebt, je höher, desto mehr. Wenn sie fast alle treffen und individuell stark variieren, steigt die Spannung: Werden die Betroffenen verstehen, warum der Schritt notwendig ist? Wie vermeidet man Missverständnisse, Unmut und Rekurse? Trotz der Hürden gelang der ZBWG der Coup. Und was trugen wir dazu bei?
Mietzinserhöhung kommunizieren: So gelingt das delikate Unterfangen

Zwei Schlüsselmomente haben sich mir eingeprägt: Der 17. Juli 2023. An jenem Montag morgen nahm ich das erste Briefing entgegen. Und der 15. Januar 2025, als mir der Co-Präsident der Zürcher Bau- und Wohngenossenschaft (ZBGW) sagte, dass es keinen einzigen Rekurs gegen die Erhöhungen gegeben habe. Dazwischen spielte sich für mich ein extrem spannender Kommunikationsprozess ab.

Von vorne: Der neu gewählte Vorstand traf auf unerklärliche Mietzins-Differenzen: Dieselbe Wohnung im Haus kostete einmal 845, einmal 1540 Franken. Zudem standen umfassende Sanierungen der Altbauten an, wofür jedoch im Erneuerungsfonds das Geld fehlte. Zwei gute Gründe, die Mieten flächendeckend zu harmonisieren und gleichzeitig mehr, nämlich kostendeckende Einnahmen anzustreben. Für viele Genossenschafter*innen bedeutet dies: 20, 30, 40 und mehr Prozent höhere Mieten.

30 und mehr Prozent Aufschlag für manche Haushalte

Anfänglich dachte der Vorstand: Wir erklären ihnen die Lage und schlagen vor, freiwillig den nötigen Mietzins zu zahlen. Transparenz bildet Vertrauen, Verständnis schafft Zahlungsbereitschaft. Das setzte uns in der Kommunikation enorm unter Druck: Wir hätten mit überzeugenden Argumenten einen gewaltigen Mietzins-Goodwill mobilisieren müssen.

Wir überzeugten die Genossenschaft davon, die schwierigen Sachverhalte mit Illustrationen darzustellen und begannen, darauf aufbauend eine Kampagne zu designen. An GVs und Infoveranstaltungen würde das Co-Präsidium auftreten und die Mitglieder immer konkreter auf den grossen Schritt vorbereiten. Parallel erhielten die Haushalte Post in Form von illustrierten Flyern. Auch den Messenger wollten wir nutzen und machten beliebt, Videostatements von zahlungswilligen Mieter*innen zu posten.

Flexibel bleiben und den Nagel immer wieder treffen

Während wir viel Energie in Bild und Text investierten, änderten sich Fahrplan, Methodik und Zahlen mehrmals. Ebenso die Bewertung der Wohnungen mit einem Punktesystem. Fasziniert folgte ich dem Ritt durch juristische Bedenken, Fairness-Optimierungen und finanzielles Kalkül, führte Illus und Texte nach.

Kein Shitstorm in der Geschäftsstelle

Im Sommer 24, nach einer gut besuchten und erfolgreichen Informationsveranstaltung (es gab sogar Applaus), war dann der Brief bereit, der jeder Mietpartie mitteilte, wie stark ihre Miete steigen werde – im ersten Schritt 15 und dann jeweils jährlich 5 Prozent, bis 90 Prozent der zulässigen Kostenmiete erreicht sind. (Es gab auch einzelne Haushalte, deren Mietzins gleich blieb oder sogar sank.) Die Begleitmusik zum Brief lieferte unser Flyer, mit denselben Illustrationen, die wir für die vorherige Infoveranstaltung kreiert hatten. Bange fragte ich nach, ob die Geschäftsstelle gestürmt worden sei – es blieb ruhig.

Gelungenes Zusammenspiel

Schliesslich folgte im November 2024 die offizielle Mitteilung der Erhöhung der neuen Mietzinse auf den 1. April 2025. «Wir haben im Dezember fristgerecht alle 127 neuen Mietverträge unterschrieben zurückerhalten», freut sich der Co-Präsident am Telefon. Er wirkt immer noch etwas ungläubig. Ich bins auch!

Faktoren für den Erfolg: Was wir daraus lernen

  1. Transparentes Vorgehen und authentischer Auftritt der Genossenschaftsführung
  2. Grosses, ehrliches (und sehr aufwendiges) Bemühen um optimale Fairness in der Mietzinsgestaltung
  3. Konsistente, sorgfältig geplante und richtig dosierte Kommunikation
  4. Komplexe Sachverhalte mit anschaulichen Infografiken erklären (in diesem Fall zusammen mit Lars Klingenberg von der Gestalterei, wie ich in einem Genossenschaftsvorstand aktiv und mit den Themen vertraut)
  5. Knochenarbeit am Text
  6. In der Zürcher Medienöffentlichkeit wurde im Herbst/Winter 2024 derart viel über Leerkündigungen berichtet, dass die Wertschätzung für eine sichere Genossenschaftswohnung wuchs wie die Weihnachtssterne in der Migros-Auslage

PS: Blick über den Branchenzaun: Kostenwahrheit ist auch bei Lebensmitteln ein grosses Thema, siehe beispielsweise hier: truecostoffood.ch oder hier: regionalwert-leistungen.de
Unser Kunde Crowd Container ist eines der extrem seltenen Unternehmen, das die Preisgestaltung offenlegt.