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Bye bye BaZ, forza WoZ

Nicht belegbare Hypothesen sind im zeitgenössischen Journalismus ein beliebtes Stilmittel. Probieren wirs gleich aus!

Wenn ich mir die jüngsten Zahlen zur Leserschaft der Schweizer Publikumstitel anschaue, kann ich mir die Schadenfreude nicht verkneifen. Die Blick-Familie, Geschwister 20min und Gebrüder WeWoBaZ haben deutlich an Leserschaft verloren, während die WoZ sensationell und das NZZ-Folio deutlich neue Leser/innen gewonnen haben. Für einmal kommt mir – dem Ex-Journi – die Welt ein bisschen entgegen!

Natürlich müsste man diese Resultate in Beziehung setzen zur online-Mediennutzung, die parallel zur Erosion der Presse an Bedeutung gewinnt. So verzeichnete 20min online einen Zuwachs von über 100’000 online-Nutzer/innen im etwa gleichen Zeitraum – so viele Leser/innen zählt die WoZ (print) insgesamt! Aber ich will mir die Freude nicht durch Recherche trüben lassen, sondern stelle lieber drei Hypothesen auf:

  • Die Boulevardpresse verliert im Print, weil die Leserschaft offline doch noch etwas mehr Niveau erwartet als online. Das haben die Medienhäuser beim intellektuellen Downsizing nicht beachtet.
  • Die junge Generation mit den schnellen Daumen entdeckt den Reiz des raschelnden Papiers als Träger solider Stories; auch jede/r dritte «Reportagen»-Leser/in ist zwischen 25 und 30 . Und sie merkt, dass es eher für Gesprächsstoff sorgt, wenn man die WoZ oder das Folio rumliegen hat bzw. rumträgt.
  • Die mit offener und versteckter Werbung zugedröhnte Bevölkerung sucht nach weitgehend werbefreien, unabhängigen Medien. Ein gutes Omen für künftige Online-Abo-Medien wie Project R?

Zwei Trends passen leider gar nicht in mein Wunschbild: Das gdi impuls wird auf Ende Jahr als Printtitel eingestellt. Schade! Bei mir liegt immer ein Jahrgang im Gestell und liefert zuverlässig Impulse, auch gestalterische. Und der scheinbar unaufhaltsame raketenmässige Aufstieg der Landliebe ist quasi das Gegenstück dazu.